Am Anfang herrscht ein leichtes Durcheinander. Die ungewohnte Situation verunsichert – obwohl alle wissen, dass es nur eine Übung ist. Soeben wurde der Krisenstab informiert, dass ein Cyberangriff aufs EWO stattgefunden habe. Eine grössere Datenmenge sei abgeflossen, gleichzeitig habe ein unbekannter Anrufer Geld gefordert und damit gedroht, dass es dunkel werde in Obwalden, falls der Betrag nicht überwiesen werde. Für das Support-Team, das Teil der Krisenorganisation ist, heisst es nun: das Sitzungszimmer einrichten, Stellwände holen, Plakate aufhängen und die Meldezettel bereitlegen. All diese Dinge stehen für den Notfall an zwei Standorten bereit.
Stabschef Urs Jost meldet sich ein erstes Mal zu Wort. Er weist seine Leute aus dem Stab an, mit der Problemerfassung zu beginnen und Massnahmen zu notieren. Den ersten Rapport setzt er auf 9.30 Uhr an. Für jeden Fachbereich – Kunden, Infrastruktur, Informatik, Personal und Kommunikation – gibt es eine eigene Stellwand mit einem Plakat, auf der die Fachbereichsverantwortlichen die aktuellen Probleme erfassen. Immer wieder wenden sie sich an Urs Jost mit Fragen, füllen Meldezettel aus oder klären telefonisch offene Punkte. Zwei Mitglieder des Support-Teams nehmen die Meldezettel entgegen und übertragen die Meldungen in die Datenbank. Sie sind für die Dokumentation der Ereignisse zuständig. Wenig später erhält Urs Jost eine Mitteilung: In Lungern sei ein grösseres Gebiet ohne Strom.
Fast wie in der Realität
Für Urs Jost ist es die zweite grosse Übung, die er als Stabschef durchspielt. Obwohl der Krisenstab jedes Jahr trainiert, liegt seine letzte Übung fünf Jahre zurück. Das liegt daran, dass es vier Stabschefs – und fünf Krisenmanager – gibt, von denen jeweils einer im Einsatz ist. Josts Aufgabe als Stabschef ist es, dem Krisenmanager die Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Wie ist Urs Jost, der im normalen Berufsalltag den Bereich Netzwirtschaft leitet, zu diesem Extrajob gekommen? «Unser CEO hat mich zum Stabschef ernannt. Alle Stabschefs sind langjährige Mitarbeitende, die vernetzt denken und über Führungsqualitäten verfügen», erklärt Jost. Die Krisenmanager wiederum sind Mitglieder der Geschäftsleitung.
Bereits ist die erste Rapportsitzung vorbei, alle Mitglieder des Krisenteams sind auf dem aktuellen Stand. Wieder wird konzentriert und effizient gearbeitet – man könnte leicht vergessen, dass hier nur geübt wird. «Unser Ziel ist es, die Übungen so realistisch wie möglich zu gestalten», sagt Bettina Zimmermann von der Firma GU Sicherheit & Partner AG, die das EWO beim Krisenmanagement unterstützt. Zimmermann hat die Übung konzipiert, beobachtet das Geschehen und zieht mit ihrem Team die Fäden im Hintergrund. Dieses führt Regie, macht Meldungen und Anweisungen und nimmt auch die Anrufe aus dem Krisenteam entgegen. Den Nutzen der Übung erklärt Zimmermann so: «Es geht darum,
dass das EWO fähig ist, die Schäden im Krisenfall möglichst klein zu halten.» Deshalb werde das Krisenteam so trainiert, dass es unter Zeitdruck geeignete Massnahmen ergreifen und Entscheidungen treffen könne. Welche Situationen würden beispielsweise dafür sorgen, dass der Pikettleiter das Krisenteam aufbieten würde? Im Krisenhandbuch sind Beispiele genannt – Verletzte oder Tote in EWO Anlagen, Erpressung, Geiselnahmen oder Stromausfälle, die länger als vier Stunden dauern, gehören dazu.
Konzentriert unter Zeitdruck: Als Stabschef ist es Urs Josts (links) Aufgabe, im Krisenfall gemeinsam mit seinem Support-Team alle relevanten Informationen zusammenzutragen.
Sicherheit dank festen Abläufen
Inzwischen ist es 13.15 Uhr. Nach einer Medienkonferenz beendet Bettina Zimmermann die Übung und lädt zur Übungsbesprechung um 14 Uhr ein. «Das EWO hat die Übung mit Bravour bestanden», hält Bettina Zimmermann abschliessend fest. Nach den intensiven Stunden warten Sandwiches auf das hungrige Krisenteam. Wie hat Urs Jost die Übung erlebt? «Mir gab es Sicherheit, dass ich mich an einen festen Ablauf halten konnte.» Doch es sei auch schwierig gewesen, den Überblick zu behalten bei den vielen Informationen, die auf ihn einprasselten. Jost ist glücklich, dass der Krisenstab bisher nie einen echten Notfall erlebt hat. Doch es ist beruhigend, zu wissen: «Wir sind auf den Ernstfall bestmöglich vorbereitet.»