Daniel Zberg, Leiter Geschäftsfeld Netz, erklärt warum der Schweiz eine Strommangellage droht und wie sich das EWO darauf vorbereitet.
Herr Zberg, droht der Schweiz ein Blackout?
Diese Frage kann nicht einfach mit einem Ja oder Nein beantwortet werden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit zeigt, dass in naher Zukunft ein Blackout oder eine Strommangellage auftreten kann. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, die beiden Begriffe klar voneinander zu unterscheiden. Bei einem Blackout handelt es sich um ein kurzfristiges Ungleichgewicht zwischen Stromverbrauch und Stromerzeugung.
Was hat das für Folgen?
Dies führt zu einem flächendeckenden Stromausfall, der sich in Extremfällen sogar über mehrere Länder ausbreitet. Solche Stromausfälle entstehen unmittelbar, beispielsweise wenn grosse Übertragungsleitungen infolge extremer Witterungsverhältnisse beschädigt werden oder grosse Kraftwerksparks plötzlich ausfallen, zum Beispiel durch eine Windflaute oder eine sogenannte Dunkelflaute.
Worin besteht der Unterschied zur Strommangellage?
Sie zeichnet sich im Voraus ab durch die Verknappung der Energiemärkte. Diese ist beeinflusst von der geopolitischen Situation. Beispielsweise hat der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zur Verknappung von Gas und zu steigenden Gaspreisen geführt. Ein weiterer Faktor ist das fehlende Stromabkommen zwischen der Schweiz und der EU, was dazu geführt hat, dass die Schweiz nicht gleichberechtigt am europäischen Stromhandel teilnehmen kann.
Was passiert konkret bei einer solchen Mangellage?
Bei einer Strommangellage bleibt das Netz vollständig in Betrieb, nicht wie beim Blackout. Jedoch wird die zur Verfügung stehende Energiemenge den vollen Verbrauchsbedarf nicht mehr abdecken können.
Nach seiner Lehre als Elektromonteur bildete sich Daniel Zberg (55) zum Elektroingenieur und Betriebswirtschafter weiter. Seit 2011 ist er Leiter des Geschäftsfelds Netz. Daniel Zberg ist verheiratet und bewegt sich in seiner Freizeit gerne mit dem Bike oder in den Wanderschuhen.
Können wir diesem Trend nicht entgegenwirken mit dem Ausbau von dezentralen erneuerbaren Stromproduktionsanlagen wie beispielsweise Photovoltaik?
Der Ausbau von erneuerbaren Energien ist langfristig der richtige Weg. Allerdings wird Strom aus Photovoltaikanlagen vor allem in den Sommermonaten erzeugt. Der grösste Verbrauch steht jedoch in den Wintermonaten an. Mit dem Wegfall der Atomkraftwerke wird sich die Situation verschärfen. Technologien zur Langzeitspeicherung wären eine mögliche Lösung; diese sind jedoch heute noch nicht oder nicht in genügender Kapazität vorhanden.
Als öffentlich-rechtliches Unternehmen ist es unser gesetzlicher Auftrag, die sichere Stromversorgung des Kantons Obwalden zu gewährleisten. Dabei deckt das EWO zu jeder Zeit den Strombedarf seiner Kundinnen und Kunden ab, einerseits mit unseren Produktionsanlagen, andererseits indem wir den Strom zukaufen. Tritt auf nationaler Ebene eine Mangellage auf, übernimmt der Bund die Führung, und wir arbeiten ihm zu.
Beim Eintreten einer Strommangellage wird auf Anweisung der Wirtschaftlichen Landesversorgung die Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen (OSTRAL) aktiv. Sie ist organisiert als Kommission des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und besteht aus Vertretern von Energieversorgungsunternehmen. Ihre Aufgabe ist es, die vom Bund verordneten Massnahmen umzusetzen.
Wir unterscheiden zwischen Massnahmen der Angebotslenkung und der Verbrauchslenkung. Auf Seiten der Angebotslenkung überträgt der Bund die Koordination der Kraftwerksbewirtschaftung an die nationale Netzgesellschaft Swissgrid AG, ordnet die Aussetzung des Stromhandels an und verfügt Exporteinschränkungen.
Als Erstes richtet der Bundesrat einen Aufruf an die Bevölkerung, Strom zu sparen. Sollte dies nicht ausreichen, spricht er – nachdem er die vorbereitete Verordnung in Kraft gesetzt hat – erste Verbote aus, beispielsweise für nicht lebensnotwendige elektrische Geräte wie Whirlpools oder Leuchtreklamen. Ein weiteres Instrument ist die Kontingentierung für Grossverbraucher.
Der Bund verpflichtet Grossverbraucher mit einem Jahresverbrauch von über 100 000 kWh, ihren Verbrauch um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren. Wie sie diese Reduktion erreichen, liegt in der Verantwortung der Unternehmen. Eine Möglichkeit ist beispielsweise, eine Produktionsstrasse vorübergehend ausser Betrieb zu nehmen oder die Firma während eines Wochentages zu schliessen.
Zyklische Abschaltungen sind die letztmöglichen Massnahmen. Hierfür liegen entsprechende Pläne bereit. Sie würden aber nur im äussersten Notfall ergriffen, denn natürlich hätte dies einschneidende Konsequenzen für die gesamte Bevölkerung.
Wir möchten mit diesem Artikel das Thema alle Kundinnen und Kunden näherbringen. Die OSTRAL verfügt über eine Palette an Informationsmaterial, das wir nutzen und unseren Kundinnen und Kunden weitergeben. Aktuell haben wir im Auftrag der OSTRAL unsere Grosskunden brieflich über das Thema informiert. Persönlich finde ich es wichtig, offen und ehrlich zu kommunizieren, ohne dabei jedoch Angst und Polemik zu schüren und düstere Zukunftsbilder zu malen. Fakt ist: Die Strommangellage ist eine Herausforderung, auf die wir uns heute vorbereiten müssen. Weltuntergangs-Szenarien hingegen sind fehl am Platz.
Ja, das kann ich. Denn wir leiten bereits heute die entsprechenden Vorkehrungsmassnahmen in die Wege. Ich bin zuversichtlich, dass der Ernstfall nicht eintreten wird. Falls doch, wird unser Team natürlich stark gefordert sein. Doch auch diese Herausforderung werden wir letztendlich meistern.