Das Stäubiloch auf Melchsee-Frutt hat nicht nur für die Stromwirtschaft und den Obwaldner Tourismus eine historische Bedeutung. Auch in der Höhlenforschung hat das unterirdische Karsthöhlensystem international für Aufsehen gesorgt – nicht zuletzt dank Martin Trüssel.
Es begann in den Siebzigern, als er zusammen mit seinen Brüdern Fuchshöhlen ausbuddelte. Die Faszination für die unbekannte Welt unter dem Boden ist Martin Trüssel bis heute geblieben: Seit über 40 Jahren erforscht er Karst- und Höhlensysteme. Darunter auch das Stäubiloch. Der natürliche Abfluss des Melchsees verschwindet dort im Boden und kommt erst über 800 Meter tiefer bei der Stöckalp wieder zum Vorschein. 64 Kilometer hat Trüssel in dem Höhlensystem schon vermessen.
Auch für das EWO ist Martin Trüssel ein wichtiger Ansprechpartner. Als Kraftwerksbetreiber ist das EWO verpflichtet, den natürlichen Abfluss der Speicherseen sicherzustellen. Damit der Abfluss des Melchsees gewährleistet wird, findet alle fünf Jahre eine Begehung mit Martin Trüssel durch das Stäubiloch statt. Er kennt das Karstgebiet mit seinen Karsthöhlen wie wohl kein anderer und weiss oft Rat, wenn es Probleme beim Wasserlauf gibt. Das Höhlensystem hat zudem für die Klimaforschung eine essenzielle Bedeutung. «Anhand der Ablagerungen durch Tropfwasser aus den Höhlen in nächster Nähe des Stäubilochs können wir erstmals die Geschichte der vergangenen Eis- und Zwischenzeiten durchgehend über mehrere 100 000 Jahre rekonstruieren», erklärt Trüssel. «Die gewonnenen Daten sind in Europa einzigartig.» Gerade letztes Jahr konnte das Forschungsteam erneut einen Stalagmiten bergen – mit Unterstützung des EWO.
Der Karst- und Höhlenforscher Martin Trüssel birgt einen Stalagmiten.
Dass die Erforschung des Stäubilochs eng mit der Stromwirtschaft im Melchtal verknüpft ist, hat indes eine lange Tradition. Bereits 1904 erteilte nämlich der Kanton Obwalden dem Hotelier Albert Reinhard-Bucher eine Konzession für den Bau und Betrieb der damals höchstgelegenen Wasserkraftanlage Europas im Stäubiloch.
Damit versorgte Reinhard nicht nur seine Hotelanlage mit elektrischer Energie und brachte so nur acht Jahre nach der Erfindung der Glühbirne diese mit selbst produziertem Strom zum Leuchten. Gleichzeitig nutzte er die kalte Luft des unterirdischen Wasserfalls, um Speisen fürs Restaurant zu kühlen – lange bevor die Kühlschränke Einzug hielten. Bis 1954 war die Anlage in Betrieb, bevor sie durch das heutige Kraftwerk Hugschwendi ersetzt wurde.
Pionier-Wasserkraftwerk am Stäubiloch aus dem Jahr 1904.
«Das war eine gewaltige Pionierleistung», zollt Martin Trüssel den Erbauern der damaligen Anlage Respekt. «Sie verstanden die Natur und nutzten diese sinnvoll.» Ohne diesen Pioniergeist würde die Tourismusregion Melchsee-Frutt, wie wir sie heute kennen, nicht existieren, ist sich Trüssel sicher. Einen solchen würde er sich auch heute wünschen. «Denken wir nicht immer nur an die unmittelbare Wirtschaftlichkeit, sondern einige Generationen weiter», appelliert er.
Als Höhlenforscher, der mit jahrtausendealten Gesteinen in Berührung kommt, weiss er, wovon er spricht. «Wenn ich in den Höhlen Skelette von längst ausgestorbenen Tieren entdecke, macht mich das klein und ehrfürchtig», sagt er. «Und es zeigt mir, dass wir Menschen mit unseren knapp 100 Jahren Lebenserwartung nur ein kleines Teilchen dieses komplexen Natursystems sind.»
Faszinierende Höhlenwelt unterhalb von Melchsee-Frutt.
Die Stiftung «Naturerbe Karst und Höhlen Obwalden» (Neko) wurde von Martin Trüssel gegründet. Sie versteht sich als Netzwerk zwischen Höhlenforschung, Wissenschaft, Behörden und Öffentlichkeit und deckt die Bereiche Forschung, Schutz, Nutzung und Bildung ab. Sie soll zum Kompetenzzentrum für Forschung und Bildung werden, das weit über die regionalen Grenzen hinausstrahlt.