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Improvisation ist gefragt

Versorgungssicherheit
Energieknappheit, Rohstoffmangel, Lieferengpässe: Von der aktuellen weltwirtschaftlichen Lage ist auch das EWO betroffen. Drei Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen erzählen, wie sich dies auf ihre Arbeit auswirkt.
8. September 2022
Text Simon Eberhard // Fotos Samuel Büttler Photographie
08/09/2022 // 11 Minuten Lesezeit

Geopolitische Lage

Die aktuelle geopolitische Lage hat Folgen für unsere Energieversorgung. Drei EWO Mitarbeiter erzählen, wie derzeit ihr Alltag aussieht.

Wirtschaftslage

Bauteile zu bestellen, ist derzeit eine Gratwanderung», sagt Franz von Flüe. Er ist beim EWO für die Planung von Trafostationen zuständig. Doch fehlen ihm dafür die notwendigen Komponenten. Ähnlich geht es Urs Jost, der zusammen mit seinem Projektteam verantwortlich ist für den Ersatz der Stromzähler durch intelligente Geräte, sogenannte Smart Meter. «Weil wir zu wenig Geräte erhalten, müssen wir unsere Rollout-Planung laufend anpassen.» Sowohl von Flüe als auch Jost spüren die Folgen des durch die Corona-Pandemie verursachten Rohstoffmangels und der Lieferengpässe, die momentan die Weltwirtschaft durcheinanderwirbeln.

Schwierige Lage für Grosskunden

Auch Paul Krummenacher ist derzeit nicht zu beneiden. Als Leiter Verkauf und Kundenservice muss er seinen Kundinnen und Kunden für 2023 massive Strompreiserhöhungen kommunizieren.

Noch härter trifft es Unternehmen mit einem Verbrauch von über 100’000 kWh pro Jahr, die von ihrem gesetzlichen Recht Gebrauch machen, den Strom am freien Markt einzukaufen. Sie konnten bis anhin jahrelang von tiefen Marktpreisen profitieren. Dies hat sich leider schlagartig geändert. Denn die Terminmarktpreise haben sich in den letzten Monaten verfünffacht. «Die Marktsituation ist sehr belastend», sagt Krummenacher. «Dies bringt Firmen, deren Betrieb vom Strom abhängig ist, in eine schwierige Lage.»

Einsatz für die Kundinnen und Kunden

Während Krummenacher in engem Kontakt steht mit den betroffenen Unternehmen und diese berät, setzen von Flüe und Jost alle Hebel in Bewegung, die für ihre Arbeit nötigen Bauteile rechtzeitig zu beschaffen. Alle sind sich einig: Eine solche Extremsituation haben sie bisher in ihrer Laufbahn noch nie erlebt. Auch wenn keiner von ihnen weiss, wie sich die geopolitische Lage in den nächsten Monaten weiterentwickeln wird: Ihr Engagement für die Kundinnen und Kunden und für die Versorgungssicherheit im Kanton Obwalden bleibt ungebrochen.

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Paul Krummenacher, Leiter Verkauf und Kundenservice beim Speichersee Lungerersee in Lungern

«Die Verunsicherung ist gross»

Herr Krummenacher, weshalb dieser Preisschock an den internationalen Energiemärkten?
Die Preise an den europäischen Strombörsen stiegen bereits ab Mitte 2021. Grund dafür war unter anderem die Verteuerung von CO2-Zertifikaten. Der tiefe Füllstand der Gasspeicher im letzten Herbst verschärfte dies zusätzlich. Der Ukrainekrieg und die damit verbundene Einschränkung der russischen Gaslieferungen trieben die Preise weiter in die Höhe. Zwar macht der Verbrauch von Gas in der Schweiz nur
15 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus. Doch weil Gas- und Strompreise eng miteinander verknüpft sind, sind wir trotzdem direkt davon betroffen.

Das EWO produziert einen Teil des Stroms aus eigener Wasserkraft. Kann dies den Preisanstieg nicht dämpfen?
Tatsächlich wird die eigene Wasserkraft immer wichtiger, um die Abhängigkeit vom Markt zu reduzieren und so den Preisschock abzufedern. Doch Strom aus Wasserkraft wird vorwiegend im Sommer erzeugt. Somit sind wir in den Wintermonaten von Zukäufen abhängig. Die Winterenergie ist dementsprechend um einiges teurer als die Sommerenergie. Dank unseren Wasserkraftwerken mit Speicherseen können wir die grossen Marktbewegungen stark abfedern.

Sie stehen im direkten Kontakt mit den Kundinnen und Kunden. Was empfehlen Sie ihnen?
Die Situation ist im Moment unberechenbar, die Verunsicherung gross. Wir gehen davon aus, dass die Preislage sich wieder entspannen wird. Es ist jedoch unmöglich, zu prognostizieren, wann das der Fall sein wird. Was sich heute auf jeden Fall mehr denn je lohnt, ist eine eigene Photovoltaikanlage. Allerdings ist derzeit auch hier mit langen Lieferfristen zu rechnen.

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Urs Jost, Leiter Netzwirtschaft und Projektleiter Smart Meter Rollout

«Von der Hand in den Mund»

Herr Jost, das EWO bezieht die Smart Meter aus der Schweiz. Wieso ist es trotzdem von den internationalen Lieferengpässen betroffen?
Unsere Zusammenarbeit mit dem Schweizer Smart Meter Hersteller Semax ist tatsächlich ein grosser Vorteil. Doch ein Smart Meter besteht aus insgesamt rund 700 Einzelkomponenten, von denen einige nur im Ausland erhältlich sind. Aktuell mangelt es an Bauteilen wie Chips, die hauptsächlich in China hergestellt werden. Wir erhalten so 2022 nur rund 50 Prozent der Geräte, die wir für unser Projekt Smart Meter Rollout benötigen würden. Und das, obwohl Semax mehrere Personen praktisch rund um die Uhr ausschliesslich mit Einkaufsaufgaben beauftragt.

Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Der Rollout der total 26’000 Smart Meter läuft seit 2019. Letztes Jahr haben wir hierfür zwei neue Smart Meter Monteure eingestellt. Den einen mussten wir vom Projekt abziehen. Der andere lebt zurzeit sozusagen von der Hand in den Mund und führt die Installationsarbeiten durch, wenn Geräte verfügbar sind. So ist es im Moment fraglich, ob wir den vom Gesetzgeber vorgegebenen Zeitplan einhalten können.

Wie lautet dieser?
Seit dem 1. Januar 2018 ist die Einführung der Smart Meter gesetzlich vorgeschrieben. Die Smart Meter sind ein Teil der Energiestrategie 2050, der das Schweizer Stimmvolk im Jahr 2017 zugestimmt hat. Bis Ende 2027 müssen mindestens 80 Prozent der Messeinrichtungen bei allen Energieversorgern einem Smart Meter entsprechen. Diese spielen eine Schlüsselrolle für intelligente Netze, sogenannte Smart Grids. Dem EWO ermöglichen sie zudem, den Stromverbrauch und -bedarf besser zu prognostizieren und den Abrechnungsprozess zu automatisieren.

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Franz von Flüe, Leiter Netzplanung

«Not macht erfinderisch»

Herr von Flüe, Ihr Team plant und baut Trafostationen. Inwiefern leiden Sie unter der aktuellen Situation?
Wegen des Rohstoffmangels hat sich die Lieferfrist einzelner Bauteile für Trafostationen massiv erhöht. Wir sprechen hier von einem Anstieg von etwa 12 auf 60 Wochen. Entsprechend steigen die Preise. Das stellt uns vor grosse Herausforderungen. Wir bestellen die Bauteile so frühzeitig wie möglich. Das birgt allerdings das Risiko, etwas Falsches zu bestellen.

Weshalb?
Beispielsweise, weil sich die Kundenbedürfnisse während eines Projekts ändern. Zudem kennen wir bei der Bestellung den genauen Preis noch nicht, kaufen also sozusagen die Katze im Sack. Das stellt uns vor die unangenehme Aufgabe, unseren Kundinnen und Kunden im laufenden Projekt Lieferverzögerungen und höhere Preise zu kommunizieren. Wir versuchen aber immer, eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu finden.

Das erfordert vermutlich einiges an Improvisationstalent?
Ja. Aber Not macht erfinderisch. Letztendlich ist es die Aufgabe des EWO, die Versorgungssicherheit im Kanton zu gewährleisten. Unsere Trafostationen und Leitungen sind ein zentrales Element dafür. Aus diesem Grund müssen wir Kompromisse finden. Wir sind derzeit vor allem am Reagieren anstatt am Agieren. Und das bringt natürlich einen zusätzlichen Aufwand mit sich, der uns längere Arbeitstage beschert.

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