100 Jahre nach ihrer Ausrottung fliegen wieder Bartgeier über den Zentralschweizer Alpen: Drei junge Greifvögel sind seit dem Sommer 2015 im Jagdbanngebiet Huetstock bei der Tannalp heimisch. Das Elektrizitätswerk Obwalden ist mit einer Namenspatenschaft am Projekt beteiligt.
Feuerrote Augen, ein messerscharfer Schnabel und fast drei Meter Flügelspannweite: Der Bartgeier imponiert seit jeher. Er schreckt aber auch ab: Seit dem Mittelalter wird der Aas fressende Geier mit dem Teufel gleichgesetzt. Bartgeier, die zu den grössten flugfähigen Vögeln der Welt zählen, galten lange Zeit als gefährliche Beutegreifer. Der Ruf der Tiere war denkbar schlecht: Sie wurden bezichtigt, Lämmer oder gar kleine
Kinder wegzutragen. Also wurden die Gewehre geladen und abgefeuert – 1913 war der letzte Bartgeier aus den Alpen verschwunden.
Mit seiner Flügelspannweite von bis zu drei Metern ist der Bartgeier der grösste einheimische Vogel.
100 Jahre später hat sich das Bild gewandelt: Der Grossvogel ist als hochspezialisierter Aasfresser und faszinierender Bergbewohner rehabilitiert. Und das in den 1970er Jahren gestartete internationale Zuchtprogramm hat sich als erfolgreich erwiesen – 1986 konnten die ersten Bartgeier ausgewildert werden. Seither wurden über 200 Tiere im Alpenraum wiederangesiedelt. Die effizienten Segler, die über der Waldgrenze nach Nahrung suchen, haben von Neuem eine Nische gefunden. Nicht zuletzt dank ihrer speziellen Nahrung: 70 – 90 Prozent davon bestehen aus Knochen. Verdauen können sie diese nur durch besonders saure Magensäfte; die Bartgeier verwerten so effizient die in den Knochen eingeschlossenen Nährstoffe. Die Vögel können auch lange Knochen im Rachen haben, ohne zu ersticken. Und ist ein Stück wirklich mal zu gross, lassen sie die Knochen mit gezielten Abwürfen über Felsplatten zersplittern.
Im Sommer 2015 konnten die Obwaldnerinnen und Obwaldner den Bartgeier und sein Spiel des «Knochenbrechens» aus nächster Nähe beobachten: Drei Jungtiere wurden im Eidgenössischen Jagdbanngebiet Huetstock oberhalb der Tannalp ausgewildert. Verantwortlich für das Projekt ist die Stiftung Pro Bartgeier. Sie arbeitet dabei eng zusammen mit dem kantonalen Amt für Wald und Landschaft.
Die Bartgeier in der Auswilderungs-Nische hoch über der Tannalp.
Unterstützung leistet zudem ein regionales Patronatskomitee. Darin sind Vertreter der Grundeigentümer, der Alpwirtschaft, des Tourismus, des Kantons, der politischen Gemeinde, des Naturschutzes und der Jagd. Aber auch das Elektrizitätswerk Obwalden ist mit seinem Verwaltungsratspräsidenten Walter Ettlin dabei: «Ich bin stolz, dass das EWO diese Auswilderung unterstützt. Es ist schön, solch prächtigen Vögeln wieder einen Lebensraum in Obwalden bieten zu können.» Das EWO hat die Namenspatenschaft für einen der drei Jungvögel
übernommen und bezog seine Kunden über einen Wettbewerb in die Namensgebung mit ein.
Die Auswilderungen am Fusse des Graustocks werden in den kommenden Jahren fortgesetzt, jährlich sollen zwei bis drei Jungtiere dazukommen. Ziel dieser Bemühungen ist es, im Alpenraum einen vitalen, sich selbst erhaltenden Bestand an Bartgeiern zu haben. Damit die Tiere die Menschen wieder beeindrucken, ohne zu bedrohen.